Fahrradfahrende bewegen sich oft mitten im Straßenverkehr.
Wie kann man die eigene Sicherheit erhöhen? Und was tun,
wenn es kracht? Wir haben mit Rechtsanwalt John Haug gesprochen – Verkehrsrechtler und selbst Rennradfahrer.
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Moritz Pfeiffer ROADBIKE 04/22 12.04.2022
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Herr Haug, Sie kennen vermutlich typische Situationen im Straßenverkehr, die Fahrradfahrer aufregen?
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Ja, ich fahre um die 4000 Kilometer Rennrad im Jahr. Zu dichtes Überholen, Vorfahrt missachten, Autos, die für sie gesperrte Feldwege als Abkürzung nutzen … Ich kenne das alles aus eigener Erfahrung (lacht).
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Was sind typische Fälle, die Sie als Anwalt verhandeln?
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Ich vertrete Radfahrer, aber auch Auto- und Motorradfahrer in zivil- und strafrechtlichen Verfahren. Zivilrechtlich mache ich Schadenersatzansprüche oder Schmerzensgeld gegenüber Unfallgegnern geltend. Beispiel: Ein Radfahrer ist wegen eines unachtsamen Auto- oder Busfahrers gestürzt. Ich lasse dann die Schäden am Rad von Sachverständigen begutachten und einen Kostenvoranschlag erstellen. Hat sich der Radfahrer verletzt, ziehe ich Untersuchungsberichte heran. All das nutze ich, um gegenüber dem Unfallgegner bzw. dessen Versicherung eine möglichst hohe Entschädigung zu erwirken. Das Ganze geschieht in außergerichtlicher Einigung oder vor einem Zivilgericht. Übrigens: Die Anwaltskosten trägt immer derjenige, dem die Schuld für den Unfall angelastet wird.
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Was sind strafrechtliche Verfahren?
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Da geht es dann um Vorwürfe der Körperverletzung, Nötigung und Sachbeschädigung, wenn auch die Staatsanwaltschaft gegen den Unfallgegner ermittelt. Am häufigsten sind tatsächlich Fälle von Radfahrern, die durch Autofahrer geschädigt wurden, aber ich habe auch schon Fußgänger vertreten, die durch Radfahrer verletzt wurden.
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Ab wann liegt denn bei einem Unfall Körperverletzung vor?
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Das hängt vom Unfallhergang ab und was dem Unfallgegner nachgewiesen werden kann. Ein unachtsamer Spurwechsel wegen eines vergessenen Schulterblicks wird kaum als Körperverletzung verfolgt, wenn der Verursacher glaubhaft Einsehen und Reue signalisiert. Wer aber eine rote Ampel ignoriert und deshalb jemanden überfährt, wird strafrechtlich belangt. Und mit ernsten Konsequenzen ist umso mehr zu rechnen bei schlimmen Unfallfolgen oder wenn jemand schon häufiger im Straßenverkehr aufgefallen ist. Zudem gibt es eine Unterscheidung in fahrlässige oder vorsätzliche Körperverletzung, wobei letztere zumindest im Straßenverkehr schwer nachweisbar ist.
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Was müssen Verkehrsteilnehmer tun, um gut dazustehen, sollte mal eine Angelegenheit vor Gericht landen?
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So banal das klingt: die Verkehrsregeln kennen und einhalten. Beispiel: Wenn Ihnen die Vorfahrt genommen wurde und Ihr teures Rennrad zerstört ist, freuen Sie sich natürlich, wenn Ihnen der Schaden ersetzt wird. Wenn Sie aber in der Dämmerung gänzlich unbeleuchtet unterwegs waren, bekommen Sie womöglich eine Mitschuld und bleiben unter Umständen auf einem Teil der Kosten sitzen – ärgerlich und teuer. Leider ist es mit der Kenntnis des Regelwerks und der Bereitschaft, diese Regeln auch einzuhalten, nicht weit her. Das gilt allerdings für alle Verkehrsteilnehmer …
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Was sind die größten Wissenslücken?
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Gerade bei Rennradfahrern hält sich hartnäckig das Gerücht, manche Regeln gälten nicht für sie, weil man auf einem Sportgerät unterwegs sei. Dem ist nicht so. Zwar muss ein Fahrrad zum Beispiel nicht mehr dauerhaft mit fest installierter Lichtanlage ausgestattet sein, da akzeptiert der Gesetzgeber mittlerweile abnehmbare Akkuleuchten. Diese müssen bei entsprechenden Lichtverhältnissen dann aber auch wirklich ans Rad. Viel wichtiger ist jedoch: Speichenreflektoren, Reflektoren an Front und Heck sowie Reflektoren an den Pedalen sind per Gesetz vorgeschrieben – ohne Ausnahme für Rennräder. Ich würde behaupten: 99 Prozent aller Rennräder sind nicht verkehrssicher – und vor Gericht kann sich so was zu den eigenen Ungunsten auswirken.
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Gibt es weitere typische Wissenslücken?
Unzählige. Manchmal sind es aber auch keine Wissenslücken, sondern ist die Auslegung nach eigenem Gutdünken. Die Radwegbenutzungspflicht zum Beispiel wird gerne umgangen, ist aber eindeutig geregelt. Sobald ein blaues Schild einen Radweg ausweist, muss dieser auch benutzt werden – sofern er von Breite, Wegbeschaffenheit und Witterungsbedingungen zumutbar ist (Zeichen 237, 240 oder 241). Ist "nur" ein Fahrrad auf den Boden gemalt oder ein parallel zur Straße verlaufender Weg vorhanden, der aber nicht mit blauem Radwegschild gekennzeichnet ist, muss dieser nicht benutzt werden. Das wiederum wissen viele Autofahrer nicht und empören sich über den Radfahrer auf der Straße – zu Unrecht!
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Viele Rennradfahrer sind zugleich auch Autofahrer. Was sind typische Wissenslücken bei Autofahrern?
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Zu viele, um es hier auszuführen. Viele Verkehrsteilnehmer scheinen zum Beispiel nicht zu wissen, dass beim Abbiegen der Querverkehr Vorfahrt hat. Sprich: Der Abbiegende muss Fußgänger oder Radfahrer passieren lassen, sofern diese nicht an einer roten Ampel warten müssen. In der Realität gilt da oft das Recht des Stärkeren. Dass man in einer Gruppe von Fahrradfahrern ab 16 Personen zu zweit nebeneinander fahren darf? Vielen unbekannt. Dass Radfahrer in einer Fahrradstraße nebeneinander fahren dürfen und für alle Tempo 30 gilt? Vielen unbekannt. Dass man, wenn man als Radfahrer über eine rote Ampel fährt, auch seine Fahrerlaubnis fürs Auto verlieren kann? Vielen unbekannt. Besonders gefährliche Situationen entstehen immer wieder, wenn Verkehrsteilnehmer sich fälschlicherweise im Recht fühlen. Deshalb immer wieder der Appell: Halten Sie Ihr Wissen über das Regelwerk aktuell, immerhin ändert sich die Gesetzeslage von Zeit zu Zeit. Und halten Sie sich an die Regeln!
Der nun endlich gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsabstand beim Überholen von Fahrrädern von mindestens 1,50 Meter innerorts und zwei Metern außerorts scheint vielen Autofahrern auch noch nicht geläufig zu sein...
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Das empfinde ich auch so. Streng genommen dürfen Autofahrer außerorts auf schmalen Straßen überhaupt keine Fahrradfahrer mehr überholen, wenn die zwei Meter Seitenabstand nicht eingehalten werden können. Faktisch kommt das natürlich nicht vor, und das kann man auch niemandem zumuten. Aber Autofahrer sollten da mit etwas mehr Demut auftreten und wissen, dass sie eigentlich nicht regelkonform überholen dürfen. Hier kommt es auf Kommunikation zwischen den Verkehrsteilnehmern an. Signalisieren Sie als Radfahrer bei ganz engen Straßen, wann Sie überholen lassen, oder weichen Sie auch mal nach rechts aus, zum Beispiel auf eine Ausbuchtung oder Bushaltestelle, um Autofahrer überholen zu lassen.
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Darf ich mich "breit machen", um ein Überholen zu verhindern, wenn es ohnehin gerade verboten wäre?
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Grundsätzlich kann es als Nötigung angesehen werden, wenn Sie einem anderen Verkehrsteilnehmer Ihren Willen aufzwingen. Aber wenn gefahrloses oder regelkonformes Überholen nicht möglich ist und Sie einen regelwidrigen Überholvorgang eines Autos durch Ihre Fahrweise verzögern, dürfte Ihnen das kein Richter zum Nachteil auslegen. Zumindest wenn Sie – sobald wie möglich – die Fahrbahn wieder freigeben und vielleicht sogar noch durch Handzeichen kommunizieren. Man sollte aber immer bedenken: Es nutzt Ihnen wenig, wenn Sie recht hatten, aber überfahren wurden. Rechnen Sie immer damit, dass andere Fehler machen, die Regeln nicht kennen oder diese sogar vorsätzlich ignorieren. Es ist frustrierend, dass es so ist, kann aber Ihr Leben oder Ihre Gesundheit retten.
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Hat man als Fahrradfahrer überhaupt eine Handhabe gegen zu dicht überholende Autos? Aus eigener Erfahrung: Die Polizei ist nicht unbedingt der engagierteste Freund und Helfer, wenn man mit einer solchen vermeintlichen Lappalie ankommt…
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Sicherlich scheut manche unterbesetzte Polizeibehörde größeren Aufwand bei "Alltagsdelikten", und manche Verfahren verlaufen dann im Sande. Man sollte aber auch bedenken: Womöglich handelt es sich um jemanden, der bereits wiederholt negativ im Straßenverkehr aufgefallen ist. Dann kann es für diesen schon unangenehm werden. Grundsätzlich gilt es immer abzuwägen: Wie dramatisch war es, kann ich eine Gefährdung belegen, gibt es Zeugen, bin ich bereit, den Aufwand zu betreiben? Ob man aktiv werden will, hängt letztlich vom eigenen Leidensdruck und der konkreten Situation ab.
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Gerade im Verkehr kochen die Emotionen oft hoch.
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Das ist richtig, das kennen wohl alle, auch ich selbst. Der hochschnellende Mittelfinger, wenn man viel zu eng überholt wurde, ist zwar nachvollziehbar, der Empfänger Ihrer zweifelhaften Botschaft könnte Sie aber wegen Beleidigung anzeigen. So schwer es manchmal fällt: Ruhig bleiben! In der Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern und gerade auch, wenn etwas passiert ist, denn wenn man nach einem Unfall beleidigend oder gar handgreiflich wird, kann das die eigene Position in einer möglichen Beurteilung vor Gericht negativ beeinflussen.
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Was muss man tun, wenn es doch mal gekracht hat?
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An erster Stelle stehen die Absicherung der Unfallstelle, falls nötig das Alarmieren von Polizei und Rettungsdienst sowie die Erstversorgung von Verletzten. Dann gilt: Dokumentieren Sie das Geschehene so gut wie möglich. Was ist wann passiert an welcher Stelle mit welchen Beteiligten? Je mehr Details Sie nennen können, desto besser. Kennzeichen, Automarke, -modell und -farbe, Name des Fahrers und möglicher Beifahrer, örtliche Besonderheiten. Schreiben Sie sich Namen und Kontaktdaten auf, sprechen Sie auch vor Ort mögliche Zeugen an. Notieren Sie so schnell wie möglich alles, woran Sie sich erinnern, oder diktieren Sie es gleich in Ihr Handy. Und machen Sie aussagekräftige Fotos und vielleicht sogar Videos der Szene. Lieber zu viel als zu wenig.
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Werden Aufnahmen einer Helm- oder Onboard-Kamera vor Gericht als Beweismittel zugelassen?
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Inzwischen immer öfter, ja. Die Diskussion über Filmen in der Öffentlichkeit, Dashcams in Autos oder Helmkameras beim Radfahren wird zu Recht kontrovers geführt. Da geht es um Persönlichkeitsrechte, Datenschutz, Interessenabwägung – nicht alle Menschen wollen gefilmt werden, nicht alle Richter lassen deshalb solche Aufnahmen zu. Aber: Wenn man sich auf den konkreten Ausschnitt eines bestimmten Ereignisses beschränkt, liegt es nahe, dass so etwas auch berücksichtigt wird.
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Wann ruft man die Polizei, wann nicht?
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Spätestens dann, wenn Personen verletzt wurden, sollte immer auch die Polizei eingeschaltet werden. Handelt es sich "nur" um Sachschäden, sollten Sie situationsbedingt abwägen: Ist die Sachlage klar, der Unfallgegner einsichtig und kooperativ und können Sie alles gut dokumentieren, gegebenenfalls mit Zeugen? Dann muss nicht zwingend die Polizei eingeschaltet werden. Wenn es unterschiedliche Auffassungen, womöglich Streit gibt, die Situation unübersichtlich ist und Aussage gegen Aussage steht, kann es in der späteren Aufarbeitung des Unfalls helfen, wenn ein polizeilicher Bericht existiert.
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Im November 2021 sorgte ein Video vom Lenker eines Rennradfahrers bundesweit für Empörung: Ein SUV-Fahrer überholte zwei Rennradler mehrfach viel zu eng und machte vor ihnen eine Vollbremsung. Später jagte er einen der beiden regelrecht, verfolgte ihn auch auf der Gegenfahrbahn und drängte ihn in den Straßengraben.
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Ja, das hat mich auch empört. Skandalös! Der besagte SUV-Fahrer wird nun angeklagt wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Nötigung. Im Fall einer Verurteilung drohen ihm mehrere Jahre Haft. Wir reden hier also wahrlich nicht über eine Bagatellisierung des Vorfalls, die Schwerter des Strafrechts sind da schon scharf. Bei solchen Verfahren geht es dann aber auch ins Detail: Wie eng wurde nun wirklich überholt? Wie sehr fühlte sich der Radfahrer tatsächlich bedroht? Ist der Angeklagte schon häufiger aufgefallen und wie beurteilt er sein Verhalten im Nachhinein? Wie gut sind die Ereignisse dokumentiert, gibt es Zeugen? [Anm. d. Red.: Der SUV-Fahrer wurde zwischenzeitlich verurteilt.]
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Wenn jemand mit einem Zwei-Tonnen-Fahrzeug einen weitgehend ungeschützten Radfahrer jagt und in den Straßengraben drängt, handelt es sich da nicht um versuchten Mord?
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Ob der SUV-Fahrer wirklich eine Verletzungs- oder gar Tötungsabsicht hatte, wird kaum zu beweisen sein. Die Tatsache, dass er den Fahrer "nur" verfolgt und nicht einfach überfährt, wirkt da mildernd, so grotesk das klingen mag. Aber der Eingriff in den Straßenverkehr mit einem solchen Fahrzeug ist massiv und wird ziemlich sicher auch entsprechende strafrechtliche Konsequenzen haben.
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Gibt es eigentlich einen Punkt, ab dem jemand dauerhaft den Führerschein verlieren kann?
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Führerscheinentzug auf Lebzeit ist sehr schwierig und wenig wahrscheinlich. Das sehen wir auch bei schweren Alkoholdelikten. Da spielen weitere Aspekte mit rein, zum Beispiel ob eine Person glaubhaft machen kann, aus beruflichen oder persönlichen Gründen aufs Autofahren angewiesen zu sein. Wenn es Zweifel an der Fahrtauglichkeit einer Person gibt, sind die Hürden aber durchaus hoch. Stichwort medizinisch-psychologische Untersuchung, im Volksmund Idiotentest genannt. Fast die Hälfte aller, die ihren Führerschein wiederbekommen wollen, fallen da durch. Und: Im Falle einer Verurteilung zu einer Bewährungs- oder sogar Haftstrafe gilt man in Deutschland als vorbestraft – mit allen negativen Folgen, etwa bei der Job- oder Wohnungssuche. Zudem, darüber haben wir noch gar nicht gesprochen, wird bei Verkehrsdelikten auch ein Bußgeld fällig, das sich ab einer gewissen Schwere des Verstoßes an den individuellen Einkommensverhältnissen orientiert und richtig weh tun kann. Anders ausgedrückt: Es gibt schon sehr viele gute Argumente, sich im Straßenverkehr an die Regeln zu halten – egal mit welchem Verkehrsmittel man unterwegs ist.
Darf man in wirklich extremen Situationen – wie der bereits beschriebenen mit dem SUV-Fahrer – falls möglich den Schlüssel abziehen, um weiteres Unheil zu verhindern? Wenn ein Freund nach einer Party betrunken Autofahren will, verhindert man das im besten Fall ja ebenfalls.
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Man könnte sich unter anderem auf die sogenannte Nothilfe berufen, sollte aber in jedem Fall unmittelbar die Polizei rufen und denen den Schlüssel überreichen. Und man muss sich bewusst sein: In einer womöglich ohnehin schon emotional aufgeladenen Situation gießt so eine Aktion natürlich weiter Öl ins Feuer. Deshalb: Deeskalieren Sie lieber! Selbst wenn man sich womöglich dazu zwingen muss: Wenn man betont ruhig auftritt, kann das auch das Gegenüber runterholen.
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Was kann man sonst noch tun, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen?
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Gehen wir mal grundsätzlich vom Guten aus: Niemand möchte vorsätzlich andere Menschen verletzen. Unfälle haben immer eine Vielzahl von Gründen, oft sehr banale. Ein Riesenproblem ist Ablenkung. Am Handy rumgespielt, das Navi bedient, vom Assistenzsystem abgelenkt, auf dem Radcomputer rumgetippt, zu laut Musik gehört, in Gedanken versunken – die Liste ist endlos. Manches davon ist aus gutem Grund verboten, anderes nicht. Das bedeutet, ein Ansatzpunkt für mehr Verkehrssicherheit ist ehrliche Selbstreflexion: Bin ich voll bei der Sache? Manchmal hängen Unfallursachen auch mit der Sozialisierung und alltäglichen Fahrpraxis zusammen: Ich habe in Münster studiert, wo Autofahrer es sich schlicht nicht leisten können, ohne Seitenblick abzubiegen, weil überall Fahrradfahrer sind – in Solingen, wo ich jetzt lebe, sind Fahrradfahrer kein selbstverständlicher Teil des Verkehrsalltags, und man tut gut daran, noch stärker als anderswo mit den Fehlern der Autofahrer zu rechnen.
Gibt es im Verkehrsrecht Gesetzeslücken, wo der Gesetzgeber aus Ihrer Sicht aktiv werden müsste?
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Der Radwegeausbau verläuft trotz einigen neuen Gesetzesvorhaben wie zum Beispiel dem Fahrradgesetz NRW noch immer zu schleppend. Es fehlen meines Erachtens konkrete gesetzliche Zeitziele, bis wann entsprechende Ausbaupläne verwirklicht sein müssen. Nachholbedarf besteht weiterhin auch beim Thema Sicherheit: Abbiegeassistenten, die Lkw-und Busfahrer rechtzeitig über Fahrradfahrer am Straßenrand warnen, sollten verpflichtend werden. An anderen Stellen tut der Gesetzgeber meiner Meinung nach zu viel des Guten: Genehmigungsverfahren für Radsportveranstaltungen sind unglaublich komplex, da gibt es immer höhere Auflagen, so dass mancher Verein keine Rennen, RTF oder Radmarathons mehr ausrichten kann oder will. Beim Radsportverband NRW setzen wir uns dafür ein, dass die Verfahren wieder vereinfacht werden. Verhältnisse wie in Belgien und Holland, wo für den Radsport viel möglich gemacht wird, werden wir zwar so schnell nicht erleben, aber ich hoffe, dass es besser wird als derzeit.
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